Paradontitis: die meisten wissen nichts davon

Als Kinder lernen wir schon früh innerliche Bedürfnisse zu opfern, um äußerlich Haltung zu wahren. Gefühle und spontane Reaktionen unterdrücken wir und Bedürfnisse bleiben so unbefriedigt. Hinzu kommt, dass wir oft große Anforderungen an uns selbst haben. Vor allem in der heutigen Gesellschaft ist der Leistungsdruck immens. Stress und wenig Zeit für sich selbst tragen weiter dazu bei, dass wir die Verbindung zu unserem Körper und auch zu unseren Gefühlen mehr und mehr verlieren.

Während Karies bei Kindern und Jugendlichen in den letzten Jahrzehnten immer besser bekämpft werden konnte, leidet die erwachsende Bevölkerung zunehmend an Parodontitis. Neben Karies ist dies die zweite wesentliche Erkrankung in der Zahnmedizin.

Bei einer Paradontitis, auch Paradontose genannt, handelt es sich um eine Entzündung des Zahnfleisches, die im weiteren Verlauf zur Zerstörung des Zahnhalteapparates und zum Zahnverlust führen kann. Mit den richtigen Maßnahmen beugen Sie einer Paradontitis vor.

Schleichender Prozess

Eine Paradontitis entsteht nicht von heute auf Morgen. Sie entwickelt sich in einem schleichenden Prozess. Erst ist nur das Zahnfleisch entzündet – bei manchen landet nach dem Zähneputzen etwas Blut im Waschbecken und sie verspüren einen unangenehmen Druck. Hierbei handelt es sich zunächst um eine gängige Zahnfleischentzündung – eine sogenannte Gingivitis, die in der Regel durch Bakterien verursacht wird. In fast allen Fällen ist der übermäßige Bakterienbefall auf mangelnde Zahnhygiene zurückzuführen, selten entsteht die Entzündung durch eine Verletzung des Zahnfleisches. Wer seine Zähne nicht regelmäßig gründlich putzt und zusätzlich Zahnseide verwendet, fördert die Vermehrung von Bakterien, die dann auch dem Zahnfleisch zusetzt.

Zähneputzen: Gewusst wie

Es kommt vor, dass Menschen sich gründlich die Zähne putzen, regelmäßig Zahnseide und Zahnzwischenraumbürstchen verwenden und dennoch entzündetes Zahnfleisch haben. Lassen Sie sich hier von Ihrem Zahnarzt noch einmal den richtigen Umgang zeigen. Vor allem Zahnseide wird häufig falsch verwendet. Ein Zahnseidehalter etwa kann Ihnen die Arbeit erleichtern. Doch zunächst ist wichtig, zu wissen wie es geht. Wenn Ihnen einmal gezeigt wurde, wie sie Ihre Zähne und die Zwischenräume richtig reinigen, ist es ganz einfach und Sie können Ihren Mundraum effektiv schützen.

MERKE! Wenn Sie beginnen Zahnseide zu verwenden, ist es normal, dass es zunächst zu Blutungen kommt. Verwenden Sie die Zahnseide über einen längeren Zeitraum täglich, hören die Blutungen auf. Das heißt, Sie haben die Bakterien entfernt und Ihr Zahnfleisch wird gesünder.

Das Fatale: Ist das Zahnfleisch erst einmal entzündet, fällt das Zähneputzen häufig noch schwerer. Wenn das Zahnfleisch gerötet und angeschwollen ist, trauen sich viele kaum mehr an die Mundhöhle heran. Die Folge: Die Bakterien breiten sich noch mehr aus und nähren die Entzündung weiter – ein Teufelskreis, den es zu durchbrechen gilt. Häufig ist das, alleine jedoch schwer zu bewältigen. Hier empfiehlt sich grundsätzlich zunächst eine professionelle Zahnreinigung, die Ihnen mit einer Grundreinigung quasi alles wieder auf null setzt. Ab einem gewissen Stadium kommen weitere Maßnahmen zur Behandlung der Paradontitis hinzu.

MERKE! Ganz gleich, wie es um Ihren Zahnstatus bestellt ist, jeder sollte sich zweimal im Jahr eine professionelle Zahnreinigung gönnen. Dieser Zeitraum hat sich, wie die Erfahrung zeigt, bewährt um Zahnproblemen vorzubeugen.

Die meisten sind ahnungslos

Die meisten Menschen haben hin und wieder entzündetes Zahnfleisch und bei vielen liegt auch dauerhaft eine Entzündung vor. Das Erschreckende: Nur wenige Menschen wissen davon, geschweige denn unternehmen etwas dagegen. Der Grund dafür ist nachvollziehbar: Eine Zahnfleischentzündung verursacht erst in einem späten Stadium Schmerzen und auch nicht immer kommt es zu Blutungen und Schwellungen. Vor allem bei Rauchern ist diese Entzündungsreaktion, die eine Reizantwort des Immunsystems auf die bakteriellen Beläge ist, unterdrückt. So ist auch zu erklären, dass 70 Prozent der Paradontitis-Patienten Raucher sind.

Gewöhnungssache

Viele haben sich dagegen auch ganz einfach an das Blut im Waschbecken gewöhnt und nehmen es gar nicht mehr wahr. Doch grundsätzlich gilt: Ihr Zahnfleisch blutet nicht ohne Grund. Wer regelmäßig Zahnseide verwendet, weiß, dass es zu Blutungen kommen kann, wenn Sie die Reinigung mal für ein paar Tage unterbrechen. Das ist klar, wenn man bedenkt, dass blutendes Zahnfleisch bedeutet, dass es von Bakterien befallen ist.

Zahnfleisch geht zurück

Bei einer Parodontitis haben Betroffene zu Beginn kaum Beschwerden, wodurch die Entzündung häufig erst spät erkannt wird. Eine Paradontitis verläuft typischerweise langsam und still. Häufig wird sie erst bemerkt, wenn Schäden entstanden sind – wie etwa ein Rückgang des Zahnfleisches. Wenn das Zahnfleisch zurückgeht, werden die Zahnhälse zunehmend freigelegt und die Zähne wirken dadurch länger. Sie reagieren empfindlicher auf Wärme und Kälte und schmerzen. Häufig kommt es auch zu Mundgeruch. Geht die Entzündung auf den Kieferknochen über, bildet auch dieser sich zurück. Wenn der Knochenverlust ein bestimmtes Maß überschritten hat, lockern sich die Zähne und können im schlimmsten Fall ausfallen.

Symptome einer Paradontitis:

Folgende Symptome können auf eine Paradontitis hinweisen und Sie sollten Ihren Zahnarzt aufsuchen:

  • Zahnfleischbluten
  • geschwollenes Zahnfleisch
  • Zahnfleischschwund
  • freiliegende, empfindliche Zahnhälse
  • auffälliger Mundgeruch
  • unangenehmer Geschmack im Mund

Diagnose: zunächst nur Begutachtung

Bei der zahnärztlichen Untersuchung inspiziert Ihr Zahnarzt zunächst die Zähne, das Zahnfleisch und die gesamte Mundhöhle. Danach wird er Ihnen einige Fragen stellen. Ob Sie rauchen, schwanger sind oder Erkrankungen wie Diabetes oder Rheuma haben, sind dabei wichtige Informationen. Das Wichtigste bei der Untersuchung ist es, das Zahnfleisch zu überprüfen und nachzuschauen, ob Taschen vorhanden sind und vor allem wie tief diese sind. Zudem schaut der Zahnarzt noch, wo und wie weit sich das Zahnfleisch bereits zurückgebildet hat.

Behandlung: Bakterien entfernen und Entzündung stoppen

Je nach Schwere, kann eine Paradontitisbehandlung, die verschiedene zahnärztliche Maßnahmen umfasst, über mehrere Sitzungen gehen. Zunächst werden die Zahnoberflächen gereinigt und poliert. Der Zahnarzt entfernt dabei bakterielle Zahnbeläge und Zahnstein. Sind Reizfaktoren wie überstehende Füllungen oder Kronen vorhanden, werden diese ebenfalls beseitigt. Danach werden die Zähne fluoriert. Die Fluoride verabreicht der Zahnarzt als Gel oder Lack direkt auf den angegriffenen Zahn. Sie helfen dabei, wichtige Mineralstoffe einzulagern und dadurch den Zahn zu stärken.

Patienten müssen mithelfen

Genauso wichtig, wie die Behandlung durch einen Zahnarzt, ist jedoch auch die gute Mitarbeit des Patienten. Nur mit dessen Hilfe, kann die Paradontitis effektiv bekämpft werden. Ziel ist es, dass der Patient seine Zähne und sein Zahnfleisch hinterher ohne Hilfe pflegen kann. Nachdem die krankmachenden Keime entfernt wurden, muss der Patient durch eine gründliche tägliche Zahnpflege sicherstellen, dass sich der Zahnbelag nicht wieder bildet. Auch desinfizierende Mundspüllösungen und Zungenschaber können helfen, das Bakterienwachstum im Mund zu reduzieren. Manche Mundspüllösungen sollten Sie jedoch nicht dauerhaft anwenden. Sprechen Sie die Anwendung daher grundsätzlich mit Ihrem Zahnarzt ab.

Beratung, um erneute Paradontitis vorzubeugen

Die umfassende Beratung des Patienten ist ein wichtiger Teil der Paradontitis-Behandlung. Individuell werden Sie zu den Möglichkeiten der Zahnreinigung beraten und geschult. Hierbei werden all Ihre Fragen beantwortet. Elektrische Zahnbürste oder konventionelle? Zahnseide oder Zahnzwischenraumbürstchen? In der Praxis wird Ihnen gezeigt, wie Sie Ihre Zähne richtig pflegen und welche Mittel Sie dazu nutzen können. Mit speziellen Zahnfärbetabletten etwa, können Parodontitis-Patienten eigenständig den Erfolg ihrer Mundpflege überprüfen.

Risikofaktoren für eine Paradontitis

  • Mangelnde Zahnhygiene: Nach dem Zähneputzen lagern sich in kurzer Zeit Bestandteile des Speichels ab. Diese wiederum werden von Bakterien besiedelt. Entfernen Sie diese sogenannte „Plaque“ nicht regelmäßig, kann es zu Karies und Paradontitis kommen.
  • Rauchen: erhöht das Risiko einer Paradontitis. Das ist wissenschaftlich bewiesen. Das im Tabak enthaltene Nikotin verschlechtert die Durchblutung des Zahnfleisches und es steht weniger Sauerstoff zur Verfügung. Die Folge daraus: anaerobe Paradontitis-Bakterien können sich besser ausbreiten. Durch die fehlenden Entzündungserscheinungen, wie Blutung, Schwellung und Rötung, kann die Paradontitis unbemerkt voranschreiten.
  • Zahnstein: eine clevere Reaktion unseres Körpers auf Bakterien. Der Kalk, der im Speichel enthalten ist, umschließt die Bakterien und setzt sie so außer Gefecht. Das Fatale dabei: Der Zahnstein, der sich dadurch bildet, bietet wiederum einen guten Nährboden für weitere Erreger. Auf seiner rauen Oberfläche breiten sich Bakterien besonders schnell aus. Daher gilt es, den Zahnstein regelmäßig zu entfernen.
  • Hormonelle Umstellung: In der Schwangerschaft etwa, kann es vorkommen, dass das Zahnfleisch empfindlicher wird. In dessen Folge, fällt Betroffenen das Zähneputzen schwerer, was wiederum zu einer erhöhten Bakterienbesiedlung führt.
  • Familiäre Prävalenz: Häufig tritt Paradontitis gleich bei mehreren Familienmitgliedern auf. Dabei ist noch nicht abschließend geklärt, ob es wirklich eine genetische Komponente gibt oder eine gemeinsame mangelnde Mundhygiene die Ursache ist.
  • Stoffwechselerkrankungen: Diabetes, Rheumatoide Arthritis und andere Stoffwechselerkrankungen begünstigen eine Paradontitis.
  • Stress und Depression: Stress, vor allem im Rahmen einer Depression, schwächt das Immunsystem und chronische Erkrankungen verschlimmern sich. Wie Untersuchungen zeigen, findet sich in Zahnfleischtaschen von Menschen mit Depressionen eine erhöhte Ansammlung entzündungsfördernder Stoffe. Besteht eine Parodontitis bereits, verläuft diese bei einer Depression schwerer.

 

Foto: Adobe Stock – Stefano Garau

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